Im Gefängnis mit Archimedes

Meine geliebte Geliebte war mitsamt hoch fiebernder Tochter beim Arzt. Ich wollte sie mit unserem Auto abholen, da ich in der Nähe parkte. Als ich das Gefährt sachte aus dem Parkplatz lenkte, sah ich ein sich näherndes Polizistenpaar. Sie hielten inne und beäugten meine Ausparkkünste. (Da ich ein geübter Ausparker bin, lasse ich mir dabei gerne über die Schulter schauen.)

Einer der beiden Polizisten blickte freundlich winkend zum Fenster herein.

Ich winkte höflich zurück, weil ich der Meinung war, dass er mich aus der Lücke navigieren wollte. Dann konzentrierte ich mich aufs Ausparken und wollte die Parklücke gänzlich verlassen. Doch der Polizist wachelte noch immer.

„Wirklich sehr nett“, dachte ich mir.

Da klopfte der Polizist forsch an meine Beifahrertür und deutete mir zu stoppen. Ich sagte noch einmal „Danke“ und wollte wegfahren. Mein Freund und Helfer sah das jedoch ganz anders.

Er sagte auf wienerisch: „Steigns ohs!“

Ich war komplett überfragt, aber stieg aus dem Auto. Dann meinte er: „Schauuns amoi!“. Er deutete unpräzis auf die komplett zerkratzte, mutipelst beschädigte Stoßstange des vor mir parkenden Autos. Ich war irritiert. „Se haben des Auto vor Ihnen tutschiert.“ Ich war überzeugt, dass ich bzw. mein Auto hier unmöglich die Verursacher gewesen sein können. Er war da völlig anderer Meinung. Freundlich lächeln tat er auch schon lang nicht mehr. Von wegen Ausparkhilfe.

“Gemma glei zur Pi!“

Ob dieser verwirrenden Aufforderung perplex, sah ich mich fragenden Geistes der vielen bekannten Zahl 3,14159 Pi in lebensgroßen Dimensionen gegenüber. Dahinter blickte mich Archimedes fragend- genervt an. Mein klingelndes Handy riss mich jäh aus dem Gedanken und sicherlich kein griechischer Mathematiker wiederholte forsch: „Zur Polizei-Inspektion! Do moch ma a Anzeige.“

„Sag ihm, wir haben ein krankes Kind! “ hallte es aus meinem Handy. Meine geliebte Geliebte fragte mich ungläubig und semi-scherzhaft, ob sie mich nun im Gefängnis besuchen muss.

Der Polizist schenkte einer „Festnahme Frage“ keine Beachtung, zur Fieberthematik erklärte er, „Des homma glei!“

Auf der Pi wurde die Anzeige gemacht. Abschließend fragte der Polizist:

„Wullns a Festnahmeprotokoll?“

Ich verneinte. Jetzt grinste er wieder und ich jedoch schon lange nicht mehr. Den Gesichtsausdruck meiner geliebten Geliebten möchte ich an dieser Stelle nicht genauer beschreiben. Jedoch meinte sie bei der hartumkämpften Heimfahrt, dass die Exekutive ja sowohl taub und blind gewesen sein muss. Oder einfach die Quartalsstatistik der Anzeigen nach oben korrigiert hat.

Von meinem Vater, einem pensionierten Juristen, lernte ich, dass die Anzeigenstatistik die Exekutive durchaus in der Wahrnehmung beeinträchtigen kann. Von der Polizei lernte ich, dass Pi nicht immer eine Zahl ist, und dass Polizisten mit weisen, griechischen Gelehrten der Antike tatsächlich eine Gemeinsamkeit haben: Beide helfen mir sicher nicht mehr beim Ausparken.